Entmilitarisierter Volkstrauertag 2018 |
Samstag, den 13. Oktober 2018 um 22:52 Uhr |
Entmilitarisierter Volkstrauertag 2018 - Gedenken an alle Opfer aller KriegeBefehlsverweigerungen beendeten den 1. Weltkrieg und lösten die November-Revolution von 1918 aus, mit der die Demokratie in Deutschland erkämpft wurde In ihrer Eröffnungsrede erinnerte Miriam Walkowiak vom DGB Nordbaden daran, dass das Ende des 1. Weltkrieg mit der Befehlsverweigerung und der Desertion der deutschen Matrosen begonnen habe. Sie hätten es verhindert, dass deutsche Kampfschiffe in eine weitere Seeschlacht ausliefen, was ein Himmelfahrtskommando und weitere Tote bedeutet hätte. Als einige Hundert meuternde Matrosen verhaftet worden seien, habe es in Kiel Protestaktionen gegeben, denen sich die Arbeiterschaft der Stadt angeschlossen habe. Aufgrund dieses Schulterschlusses sei es zur Novemberrevolution und zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten gekommen und der Sturz des Kaisers erzielt worden. Befehlsverweigerung stoppt das Massenmorden und die kaiserliche Militärmaschine Obwohl die Matrosen mit ihrem Aufstand die Revolution und die Demokratie ermöglicht hätten, habe man ihre Führer Max Reichpietsch und Albin Köbis, hingerichtet und die Meuterer als die vermeintlich Schuldigen für die Kriegsniederlage angeprangert. Tatsächlich aber so Walkowiak weiter, hätten die Matrosen mit ihrer mutigen Befehlsverweigerung das Massenmorden und die kaiserliche Militärmaschine gestoppt und eine Revolution ermöglicht, die Deutschland schließlich Demokratie gebracht habe. Auf Kriegsbegeisterung folgen Tod und Traumata Auch der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz ging in seiner Rede auf den 1. Weltkrieg ein. Er erinnerte an den Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 und die „irritierende Kriegsbegeisterung“. Irritierend deshalb, weil noch wenige Wochen bevor der Krieg begonnen wurde, internationale Friedenskundgebungen stattgefunden hatten. Daran habe auch der führende Mannheimer SPD-Reichstagsabgeordnete Ludwig Frank teilgenommen, der dann aber mit Kriegsbeginn als einer der ersten Kriegsfreiwilligen in die Schlacht gezogen sei und bereits im September 1914 getötet worden sei. zur Rede von OB Kurz Während des Krieges seien in Mannheim rund 16.300 Menschen ums Leben gekommen und damit mehr als sieben Prozent der Mannheimer Bevölkerung. Kurz sagte, dass der 1. Weltkrieg in Mannheim mehr Menschenleben als der 2. Weltkrieg gekostet habe. Insgesamt seien 6293 Soldaten aus Mannheim getötet worden. Für die zahllosen Verwundeten wurden habe man viele Lazarette eingerichtet und die Kriegsversehrten und die Kriegsbeschädigten seien prägend für das Bild in den Nachkriegsjahren gewesen. Fehlende Aufarbeitung von Kriegstraumata und Brutalisierung Durch die Revolution im Gefolge des Krieges seien in Deutschland die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erkämpft und bereits erste Ideen für ein geeintes Europa geäußert worden. Doch die Nachkriegsjahre hätten laut Kurz bereits den Keim des späteren Scheiterns in sich getragen Das Scheitern sei darauf zurückzuführen, dass die Kriegstraumata und die Brutalisierung nicht aufgearbeitet worden seien. Dazu hätten auch falsche Behauptung wie die Dolchstoßlegende beigetragen sowie die soldatischen Freikorps, die unter anderem Gustav Landauer, einen Repräsentanten der bayrischen Räterepublik, bestialisch ermordeten hätten. Der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge habe 1919 den Volkstrauertag begründete, der aber spätestens 1925 zu einem antidemokratischen Heldengedenken verkommen sei. Kurz wies darauf hin, dass er auch bei der anderen Veranstaltung zum Volkstrauertag auf dem Hauptfriedhof spreche. Das nahm er zum Anlass sich für eine gemeinsame Veranstaltung auszusprechen und über einen Minimalkonsens nachzudenken. Texte, Töne Lieder rufen Beklemmung hervor Mit einer Collage aus Texten, Tönen und Lieder gelang es Rudi Friedrich und Talib Vogel einen beklemmenden Eindruck vom Geschehen in den Schützengräben hervorzurufen. Sie präsentierten dazu Teile ihrer szenischen Lesung „Krieg? Ohne uns! die insbesondere darauf aufmerksam macht, dass es im 1. Weltkrieg auch Desertion und Militärstreiks gegeben hat und diese eine wirksame Form des Widerstands gegen Krieg darstellen. Es ist eine Besonderheit des entmilitarisierten VTT, dass er mit einem Schweigeweg zu verschiedenen Stellen des Hauptfriedhofs verbunden ist. Damit soll ins Bewusstsein gerufen werden dass die nationalsozialistischen Herrscher in Mannheim ein KZ errichtet und Zwangsarbeiter ausgebeutet haben. Am Gräberfeld der Zwangsarbeiter berichtete Peter Koppenhöfer vom Verein KZ-Gedenkstätte Sandhofen über den polnischen Bildhauer Stanislaw Komaszewski, der im KZ Sandhofen umgekommen ist. An der KZ-Gedenkstätte im Hauptfriedhof beschrieb Hans-Joachim Hirsch für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, VVN-BdA, das Wirken des Widerstandkämpfers Daniel Seitzinger. Dieser war wegen seines Engagements in der SPD und der USPD (die Unabhängige SPD) und in der kommunistischen Widerstandsgruppe Lechleiter von den Nationalsozialisten verfolgt worden. 30000 Deserteure zum Tod verurteilt An der abschließenden Station, der Gedenkstätte am Gräberfeld der Soldaten, ging Gaby Weiland (AK entmilitarisierter VTT) auf Deserteure und Kriegsdienstverweigerer ein. Sie bemängelte in ihrem Beitrag, dass es in Mannheim anders als in anderen Städten kein offizielles Denkmal für Deserteure gibt. Es steht zwar vor dem Bücherladen Neckarstadt in der Neckarstadt-Ost ein Denkmal mit der mahnenden Inschrift, „Alle Kriege sind verlorene Kriege - den Deserteuren". Dort warte es seither darauf an einem geeigneten Platz seine öffentliche Beachtung zu finden. In Deutschland seien laut Weiland über 30000 Deserteure zum Tod verurteilt worden und nur wenige mit dem Leben davon gekommen. Erst 1998 habe der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Rehabilitierung der Deserteure und eine symbolische Entschädigung der Überlebenden beschlossen. 2002 seien die Urteile der Militärgerichte gegen Deserteure der Wehrmacht pauschal aufgehoben worden. Für den Vorsitzenden der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz Ludwig Baumann sei das eine späte Genugtuung gewesen. Kriegsdienstverweigerer auch in Israel und der Türkei Dann berichtete Weiland über Menschen, die die sich heute gegen Krieg und Militarisierung zur Wehr setzten und sich dem Militär und dessen Kriegseinsätzen entziehen und dafür Repressalien erleiden. Der Kriegsdienstverweigerer Hilel Garmi aus Israel sei am 16. Oktober 2018 zum fünften Mal zu einer Haftstrafe verurteilt worden und müsse mit weiterer strafrechtliche Verfolgung rechnen. Hamburger in der Türkei wegen vermeintlicher Terrorpropaganda verurteilt Weiland berichtete auch über den zwei Jahrzehnten in Hamburg lebenden deutschen Staatsbürger Ilhami Akter, der in den 90er Jahren den türkischen Behörden seine Kriegsdienstverweigerung erklärt habe. Beim Besuch seiner Mutter in der Türkei August 2018, sei er dort am 14. September vor Gericht gestellt worden. Da er sich auf seiner Facebook-Seite kritisch über die Politik der AKP und den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan geäußert habe, sei ihm Terrorpropaganda vorgeworfen worden. Er sei zu mehr als drei Jahren Haftstrafe verurteilt worden. Die Strafe sei ausgesetzt und er freigelassen worden. Er dürfe die Türkei aber nicht verlassen. Weitere Einzelheiten und verfolgte Kriegsdienstverweigerer erfährt man in Gaby Weilands Rede. |