Gegen das Vergessen und Verdrängen
Zeitzeugengespräch mit einem ehemaligen jüdischen Zwangsarbeiter in Mannheim.
Die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus und die Gedächtnislücken der Mannheimer Wirtschaft
Am 9. November 2010, dem Jahrestag der Pogromnacht, lädt der Arbeitskreis Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus zu einer Gedenkveranstaltung ein, die das Thema Zwangsarbeit beleuchtet. Ein ehemaliger Zwangsarbeiter wird über sein damaliges Leben berichten.
Die Tatsache, dass sich nach 5 Jahren NS-Herrschaft bei dieser Gewaltnacht vom 9.11.1938 kein nennenswerter Protest erhob, als SA und SS immer brutaler gegen die jüdische Bevölkerung vorging, war für die Organisatoren des geplanten industriellen Massenmordes von entscheidender Bedeutung: sie konnten sich der Zustimmung, zumindest aber der passiven Duldung sicher sein, wenn sie ihre Vernichtungsstrategie weiter verfolgten. Deportation und Zwangsarbeit unter den Augen der Öffentlichkeit waren konsequente Schritte auf diesem Weg. Später wollte es keiner gewusst haben.
Gegen das Vergessen und Verdrängen! Vor 10 Jahren haben der deutsche Staat und die Wirtschaft die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" gegründet. Nach 55 Jahren des Ignorierens zahlten (einige) Unternehmen in einen Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. Ein kritisches Resümee erinnert daran, was dieser Fonds und die Stiftung gebracht haben.
Die Gedächtnislücken der Mannheimer Wirtschaft sind auch heute noch eklatant: Kaum ein Unternehmen erinnert in irgendeiner Form an den Einsatz von Zwangsarbeitern (Männer, Frauen und Kinder) im Nationalsozialismus in seinem Betrieb. Zwei Beispiele der Aufarbeitung dieser Zeit werden dargestellt.
Walter Wassermann: mit 86 Jahren nichts vergessen Walter Wassermann, Jahrgang 1924, gehört zu den wenigen Mannheimer Juden, die den Nationalsozialismus in seiner Heimatstadt überlebten. Sein früh verstorbener Vater war Jude, die Mutter war zum jüdischen Glauben übergetreten.
Mit seiner Mutter hatte er bei ihrer katholischen Familie in den Quadraten Schutz gefunden. Walter Wassermann musste als Jugendlicher in verschiedenen Mannheimer Betrieben zwangsweise arbeiten, z.B. in der so genannten „Lumpezwick“ und bei der Baufirma Ludwig. Noch zu Beginn des Jahres 1945 wurde er nach Theresienstadt deportiert.
Erst vor ein paar Jahren hat Walter Wassermann begonnen, über seine Erlebnisse zu sprechen. Er sagt: „Ohne die Guten säße ich heute nicht hier.“
Das Zeitzeugengespräch findet am Dienstag, 9.11.2010, um 19.30 Uhr in der Jüdischen Gemeinde in F 3,4, statt. |